Predigt von Pfr. Josef Mayer anlässlich des 19-jährigen Jubiläums der queerGottesdienste in München am 14. März 2021 in München – St. Paul

// Brüder und Schwestern im Glauben,

nicht nur für Menschen, die die Erfahrung der Heimkehr in die heilige Stadt Jerusalem gemacht haben, ist der Sonntag „Laetare“ ein Tag der Freude, für sie alle birgt er eine besondere Erinnerung – nämlich die an den ersten dieser Gottesdienste von 19 Jahren. Damals noch waren die Feiern in St. Stefan. Heute finden sie jeweils am zweiten Sonntag des Monats in St. Paul statt. Ein Freund von mir, Pfr. Peter Vogelsang, hat schon Jahre hier mit ihnen gefeiert und immer wieder von den positiven Erfahrungen berichtet. Heute darf ich in ihrer Mitte den Vorsitz der gottesdienstlichen Feier einnehmen. Ich danke David und Sven Langenbuch für ein gutes Vorbereitungstreffen, welches mir den heutigen Dienst wesentlich erleichtert hat.

Es passt zum meinem Primizspruch immer wieder mal etwas Neues anzufangen, wenn Gott dazu ruft. Solche Herausforderung halten jung.

Da passt es wunderbar, dass heute – ich würde es mal mit dem verstorbenen Religionspädagogen und Pfarrer Elmar Gruber so nennen – das „Aufrichte“-Evangelium von der nächtlichen Begegnung Jesu mit Nikodemus trifft, welches uns die Tiefendimension der Sendung Jesu aufschließen möchte. Ich denke als MESSIAS für Israel hat dieser Jesus von Nazareth uns ein dreifaches zu bezeugen:

Das Erste ist: Er soll den Menschen das Leben erleichtern und zugleich bleibendes Leben in der Tiefe ermöglichen. Für die Darstellung dieses Zusammenhanges wählt der Evangelist Johannes ein wunderschönes Bild: Wenn den Menschen giftige Schlangen nachstellen und ihr Leben bedrohen, wenn Sorgen und Nöte sie bedrängen oder wenn es ihnen einfach nur schlecht geht – das ist in Zeiten wie diesen, die wir gerade durchschreiten müssen, bei nicht wenigen Zeitgenossen der Fall – dann soll unser Blick auf den erhöhten Jesus, auf denjenigen, der zur rechten des Vaters im Himmel thront (ich verweise bewusst auf die Darstellung des Christus Medicus in der Kalotte der Hauptapsis der Basilika am Petersberg) befreiend wirken. Seine Botschaft, die Botschaft des heilenden Christus, kommt nicht von oben herab, auch wenn er oben sitzt. Sie kommt vielmehr aus der Tiefe eines verwundeten Herzens und lautet: „Lasst Euch nicht niederdrücken, klein machen oder gar entmutigen! NEINT! Hebt Eure Herzen zu meinem Herzen empor! Richtet Euch auf! Fasst neuen Mut! Tragt Eure Sorgen, Nöte und Ängste vor mich hin – legt sie mir zu Füßen!“ Genauso wie es im Lied heißt: „All Eure Sorgen werft auf IHN, denn er sorgt für Euch!“ Denn dieser erhöhte Jesu will uns aufrichten und zu einem Leben ermutigen, wie er es selbst gelebt hat. Er will, dass wir erfüllt oder wie es an einer anderen Stelle im Johannesevangelium heißt „unser Leben in Fülle!“ Er will menschliches Leben, das Sinn stiftet und vom menschlichen Herzen angestrebt wird. Darin liegt auch der Grund, warum Gott ihn in seine jüdische Heimatwelt geschickt hat.

Das Zweite ist: Dieser Jesus von Nazareth soll auch der nicht-jüdischen Welt den Zugang zum Gott der Bibel aufzuschließen. Alle Menschen sollen den gleichen Gottes-Zugang geschenkt bekommen wie ihn Jesus selbst und sein Menschenbruder Nikodemus ihn qua Geburt als Jude schon zugestanden bekommen hatten.

Sie sollen zu Gott als dem Gott finden, der Solidarität pflegt und Barmherzigkeit schenkt, der seinem Volk in Treue beisteht, es aus Unterdrückung und Not befreit und es selbst auf Irr- und Umwegen nicht im Stich lässt, sondern vielmehr verzeihend mitgeht. Er ist für sie der Gott, der seine Weisungen zum Leben anbietet und der sie stark macht gegen alle Unbill der Zeit.

Er ist ein Gott, der nicht richtet, sondern vielmehr aufrichtet und herrichtet (sowie ein kaputtes Fahrrad, das seinen Richter dringlich braucht). Er erlöst, d. h. er löst aus, und schenkt dem menschlichen Leben eine neue Ausrichtung und unzerstörbare Tiefe. Diesen Gott, der umfassenden Liebe und einer verantworteten Lebensgestaltung hat der MESSIAS Jesus nun auch noch der gesamten Völkerfamilie – also weit über Israel hinaus – zu verkündigen. Allen Menschen soll er neue Wege zum Gott auch ihres Lebens erschließen.

Dieser Weg und darin gibt es keinerlei Zweifel geht nicht am Kreuz vorbei. Das muss Jesus selbst schmerzhaft am eigenen Leib erfahren. Das ist wohl auch der Grund, warum Christinnen und Christen aller Zeiten immer wieder den Kreuzweg meditieren und beim Stehen unter dem Kreuz neue Lebenskraft empfangen.

Das Dritte und Letzte ist: Jesus nimmt alle Menschen in die Verantwortung hinein. Dabei geht es um unsere Taten: Gutes oder Böses!

Um wie Jesus Licht, Helligkeit, Klarheit, Hoffnung und Zukunft in die Lebenswelt der suchenden Menschheit zu tragen, bedarf es der immer wieder „neuen Entscheidung für das Gute“. Denn Finsternis, Dunkelheit, Undurchsichtigkeit, Angst und Verzweiflung durchziehen alle Menschheitsgruppen und die wirtschaftlichen, politischen, gesellschaftlichen und auch die kirchlichen Organe. Jesus zeigt uns allen: Da hilft kein Moralin. Das verbittert nur noch mehr und macht kopflos in den eigenen Entscheidungen.

Jesus also richtet und verurteilt niemanden. Aber, wer das Böse liebt und sich dafür entscheidet – und das trotz der Begegnung mit unserem MESSIAS, dem Licht der Welt -, der richtet sich selbst!

Wer aber das Gute liebt und sich dafür entscheidet, wird selbst zu einem Licht, das anderen leuchtet.

Die Geschichte der Kirchen zeigen: Viele aus den Völkern haben sich schon zu aller Anfang und dann immer wieder von Neuem für den Weg dieses Jesus aus Nazareth entschieden und zu ihren Zeiten ihre jeweilige Lebenswelt heller gemacht.

Jetzt liegt es an uns allen, auch und gerade an der hier versammelten Gemeinschaft, dieses Licht des MESSIAS aus Nazareth in unsere Welt und Zeit zu tragen – in jede unserer je eigenen vier Wände und zugleich in unsere besonderen Lebenswelten.

AMEN.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.