“Sie werden niemals zugrunde gehen und niemand wird sie meiner Hand entreißen.” (Joh 10,28)

// Ansprache von Pfarrer Josef Mayer (Petersberg, Erdweg) im queerGottesdienst am 8. Mai 2022

Die ausgewählten Texte:

Lesung: Offenbarung 7,9.14-17

9 Danach sah ich und siehe, eine große Schar aus allen Nationen und Stämmen, Völkern und Sprachen; niemand konnte sie zählen. Sie standen vor dem Thron und vor dem Lamm, gekleidet in weiße Gewänder, und trugen Palmzweige in den Händen. … 14 Ich erwiderte ihm: Mein Herr, du weißt das. Und er sagte zu mir: Dies sind jene, die aus der großen Bedrängnis kommen; sie haben ihre Gewänder gewaschen und im Blut des Lammes weiß gemacht. 15 Deshalb stehen sie vor dem Thron Gottes und dienen ihm bei Tag und Nacht in seinem Tempel; und der, der auf dem Thron sitzt, wird sein Zelt über ihnen aufschlagen. 16 Sie werden keinen Hunger und keinen Durst mehr leiden und weder Sonnenglut noch irgendeine sengende Hitze wird auf ihnen lasten. 17 Denn das Lamm in der Mitte vor dem Thron wird sie weiden und zu den Quellen führen, aus denen das Wasser des Lebens strömt, und Gott wird alle Tränen von ihren Augen abwischen.

Evangelium: Johannes 10,27-30

27 Meine Schafe hören auf meine Stimme; ich kenne sie und sie folgen mir. 28 Ich gebe ihnen ewiges Leben. Sie werden niemals zugrunde gehen und niemand wird sie meiner Hand entreißen. 29 Mein Vater, der sie mir gab, ist größer als alle und niemand kann sie der Hand meines Vaters entreißen. 30 Ich und der Vater sind eins. 

Ansprache

Liebe Queere-Christengemeinde, Schwestern und Brüder,

bei der Vorbereitung dieses Gottesdienstes, der ja heuer an einem ganz besonderen Wochenende und noch dazu an einem ganz herausragenden Tag trifft, haben wir uns über seine unterschiedlichen Aspekte unterhalten: da ist neben dem Muttertag auch noch das Gedenken an die Befreiung unseres Landes von der Grausamkeit des Naziregimes. Ich glaube, dieser Tag der Befreiung trifft uns noch mehr, weil wir durch vieles, was gerade passiert, an die Greul von damals erinnert werden. So eine Dramatik gehört zum Krieg, aber dieser Krieg trifft uns ins Mark, weil er unmittelbar vor unserer Haustür stattfindet und weil die Folgen, was das Leben in dieser Welt betrifft, absolut nicht abgesehen werden können.

Aber auch das Geheimnis der Mütter hat uns sehr berührt. Da starb vor dem letzten Queer-Gottesdienst die Mutter von Martin Garmaier (es handelt sich bei den an Ostern 2022 verstorbenen Müttern um Irmgard Garmaier, Hilde Langenbuch und Ingeborg Mairgünther, derer wir in der Kommemoration des Hochgebetes gedenken werden, der deswegen das letzte Mal nicht an dieser Stelle mit Ihnen / mit euch feiern konnte). Da starben in der Zwischenzeit die Mütter von Sven, mit dem und dessen Ehemann David ich diesen Gottesdienst vorbereitet habe, und die Mutter eines guten Freundes aus München-Obersendling. Wir erzählten uns von den persönlichen Abschiedsgeschichten und haben uns damit gegenseitig bereichert und auch in der jeweiligen Trauer unterstützt.

Und vorgestern, da war ich zu Besuch in Gilching, auch dort liegt wieder eine Mutter, die Mutter eines guten Freundes – so würde ich sagen – „im Sterben“ und er fängt an, diese bittere Realität zuzulassen und auch zu ergreifen. Ich habe ihn besucht, um ihn für diesen Prozess zu stärken.

Nicht vergessen möchte ich die Mütter, die ihre Söhne und in der Zwischenzeit auch oft schon ihre Töchter in Kriege ziehen lassen mussten, aus denen diese nur mehr tot zurückkamen bzw. von denen nur eine Todesnachricht übriggeblieben ist. Das ist wohl die höchste Dramaturgie, die ein Mensch sich nur vorstellen kann und diese ereignet sich momentan an unserer unmittelbaren Grenze stündlich!

Schauen wir nun auf die biblische Botschaft und das, was sie uns in diese schweren Zeiten, die wir um uns herum erleben, mitzugeben vermag. Es sind drei Gesichtspunkte, die ich ausgewählt habe:

  1. Und er sagte zu mir: Dies sind jene, die aus der großen Bedrängnis kommen; sie haben ihre Gewänder gewaschen und im Blut des Lammes weiß gemacht.
  2. Denn das Lamm in der Mitte vor dem Thron wird sie weiden und zu den Quellen führen, aus denen das Wasser des Lebens strömt, und Gott wird alle Tränen von ihren Augen abwischen.
  3. Sie werden niemals zugrunde gehen und niemand wird sie meiner Hand entreißen. (Zitiert jeweils nach der neuen Einheitsübersetzung von 2016!)

Hierzu will ich ein paar Gedanken mit auf den Weg durch diese Osterzeit geben. 

Zu 1) Ich beginne mit dem ersten Gedanken aus der Offenbarung des Johannes: Und er sagte zu mir: Dies sind jene, die aus der großen Bedrängnis kommen; sie haben ihre Gewänder gewaschen und im Blut des Lammes weiß gemacht.

Die Offenbarung des Johannes wurde hineingeschrieben in eine Zeit der Bedrängnis und Verfolgung der frühen Christinnen und Christen. Sie war gedacht als Hoffnungswort und als eine Ermutigung in schweren Zeiten nicht aufzugeben, sondern durchzuhalten. „Und“ – so meint der Autor oder die Autorenschaft dieses Buches der Bibel – da „wäscht Blut sogar weiß“. Gemeint ist wohl die Taufgnade, die sich im Durchhalten bewährt. Diese Taufgnade – und da bewundere ich diese Queere-Gottesdienst-Gemeinde – habt ihr Euch durch all die Jahre nie absprechen lassen. Einmal weißgewaschen, seid Ihr trotz aller Anfechtungen und auch Anfeindungen treu geblieben. 

Zu 2) Auch dieser zweite Gedanke kommt aus dem letzten Buch der Bibel. Er lautet: Denn das Lamm in der Mitte vor dem Thron wird sie weiden und zu den Quellen führen, aus denen das Wasser des Lebens strömt, und Gott wird alle Tränen von ihren Augen abwischen.

Hier steht als Opferlamm in der Mitte, welches alle Anfeindungen, die Euresgleichen selbst in unseren Tagen von Regierenden und Kirchenmenschen bis hin zu Oberhäuptern von Staaten erfahren, schon überwunden hat und das sodann „alle Tränen von ihren Augen abwischen“ wird. Dieses Lamm hat sich als Opferlamm bewährt und wurde so zum Segenslamm, zur Quelle des Lebens für alle Opfer dieser Tage. Es wurde sozusagen zu einer Quelle, „aus der das Wasser des Lebens strömt“.

Zu 3) Zu guter Letzt noch ein Wort aus dem Evangelium des Tages: Sie werden niemals zugrunde gehen und niemand wird sie meiner Hand entreißen.

Es handelt sich dabei um die Gute-Hirten-Rede des Johannes-Evangeliums. Dabei geht es um eine unzerstörbare Verbindung zwischen Hirt(en) und Herde. Diese Verbindung bewirkt, dass alle, die sie leben, „niemals zugrunde gehen“ werden, weil Jesus, der gute Hirte, nicht zulässt, dass die Verbundenen jemals seiner Hand entrissen werden. Ja – es gibt etwas Unverbrüchliches und das ist der BUND GOTTES mit allen Menschen, die ihn lieben. Es ist sein Bündnis mit all denen, die sich unter allen Umständen, gerade auch in diesen Zeiten für Frieden, Versöhnung und Aussöhnung, Gerechtigkeit und Solidarität sowie für die Bewahrung der Schöpfung einsetzen. Die Queere-Gottesdienst-Gemeinde gehört dazu, wenn sie heute mit den Opfergabe eine Brücke schlägt zur Queeren-Kommunität in Kiew, die in ihrer Not nun auf besondere Weise Eure Unterstützung braucht. AMEN.

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